Eurovision Song Contest - Quo Vadis?

Zu den diffusen Ankündigungen von Änderungen im System des ESC und Verschwörungstheorien bezüglich der Balkan-, Skandinavier-, Sowjet-, oder Baltikum-connection ist wohl erstmal festzustellen:

offenbar sind die grossen Vier, oder allgemeiner die so genannten westlich orientierten Teilnehmer nicht in der Lage einen Künstler zu entsenden, der auch den Nerv der 'Ost'-Länder trifft. Roger Cicero hat von den zahlenden Vier noch am besten abgeschnitten, Spanien, Großbritannien und Frankreich landeten noch dahinter.

Zu dem geplanten Grand Prix-Sieg der Schweiz ist entgegen aller Behauptungen einer Farce nach der Veröffentlichung der Halbfinalergebnisse festzustellen, das DJ Bobo in der Runde vierzig Punkte eingesammelt hat, also ungefähr die Hälfte der Punkte die für den Finaleinzug notwendig gewesen wären. Wenn man sich anschaut wo die Punkte herkommen und vor allem nicht herkommen, sieht man das seine Nummer auch im so genannten Westen durchgefallen ist.

Da aber die großen Vier offenbar keine Lust mehr haben dieses Spektakel zu finanzieren (zumindest gibt es reichlich C-Promis die sich offenbar persönlich betrogen fühlen), was tun?

Wenn man den zahlenden Vier jeweils 200 Bonuspunkte Vorsprung gegeben hätte wären keiner der Titel auf Platz eins. Das scheidet also aus.

Wenn man die Punktevergabe an die Bevölkerungszahl hängt, endet man mit dem folgenden Ranking (in Klammern die offizielle Wertung):

1. Armenien (8)
2. Ukraine (2)
3. Serbien (1)
...
15. Spanien (20)
16. Deutschland (19)
...
22. Großbritannien (23)
23. Frankreich (22)
24. Irland (24)

(errechnet indem die vergebenen Punktzahlen mit der Bevölkerungszahl in Millionen +1 multipliziert wurden, Russland ist mit Faktor 146 das Schwergewicht, gefolgt von Deutschland mit 82)

Das Bildblog hat auch gerechnet und hat nur die Punktevergabe der so genannten westlichen Staaten herangezogen, das Ergebnis ist verblüffend:

1. Serbien (1)
2. Ukraine (2)
3. Türkei (4)
...
14. Deutschland (19)

weitere Varianten wären die Berücksichtigung der Anruferzahlen (da erwarte ich auch nicht das sich da was wesentliches ändert, hat da jemand Zahlen?), die Einbeziehung der Zahlungen für das Event/an die EBU (dazu finde ich auch keine Zahlen im Netz) oder die Zusammenfassung zu Voting-Gruppen (ob Serbien bspw. allerdings begeistert wäre mit Kroatien, Bosnien & Herzegowina und Montenegro abstimmen zu dürfen möchte ich bezweifeln).

Alle diese Varianten sind wenig erstrebenswert, ich halte den Modus für gut so wie er ist, vor allem ist er über lange Jahre eingeführt und beim Publikum bekannt. Auch zeigt die BildBlog-Rechnung das es auch ohne Ost-Bruderpunkte keine wesentlichen Verschiebungen in der Spitze gegeben hätte. Änderungen vorzunehmen, weil der gefühlte Westen nicht in der Lage ist einen zentraleuropäischen Hit zu produzieren sind sinnlos und es fehlt auch eine klare verständliche Alternative.

Wenn jetzt die Westsendeanstalten jammern das ihre Quote einbricht, sollen sie sich mal an die eigene Nase fassen. Schon der gesteuerte Auswahlmodus in Deutschland mit drei vorausgewählten Teilnehmern hält mich davon ab den Vorentscheid einzuschalten. Ich muss keinem Kunze, Cicero oder Monrose dabei zuschauen, wie sie einen früheren Grand Prix-Titel nachspielen.

Vielleicht wäre das Fortschreiben des ESC-Modus auf Sendeanstaltebene (jeder ARD-Sender bestimmt ebenfalls durch Wettbewerb in ihrem Regionalprogramm einen Kandidaten) ein Schritt zur besseren Quote? Vielleicht findet man dann auch die nächsten Silbermond, Wir sind Helden, oder Juli. Dann entsteht vielleicht auch wieder ein größeres Interesse und Identifikation mit dem jeweiligen Teilnehmer.

Eine Änderung für das kommende Jahr ist schon klar: Es soll zwei Halbfinals geben, weil die 28 Titel dieses Jahr schon hart an der Grenze der Belastbarkeit der Zuschauer gewesen sind, und sich fürs kommende Jahr mindestens drei Newcomer angesagt haben: Aserbaidschan, der Libanon und Palästina. Monaco und die Slowakei könnten auch noch hinzu kommen.